„Heute schon an morgen denken“ – Zur Geschichte der Zukunft ländlicher Räume

Mit dem Slogan „Heute schon an morgen denken“ werben seit jeher Versicherungen und Banken, aber auch Immobilienmakler und Klimaschutzorganisationen. Vorsorge zu treffen für eine gegen alle Risiken abgesicherte, glückliche Zukunft ist dabei das verbindende Ziel.  Doch dieses Prinzip greift nicht nur im privatwirtschaftlichen Bereich, sondern gilt auch für die Entwicklung ökonomischer Strategien und politischer Rahmengesetzgebung.

Zu beobachten ist dies seit einigen Jahren in Bezug auf ländlich strukturierte Räume, die – lange Zeit ausschließlich in Abgrenzung zu städtischen Innovationszentren definiert – gemeinhin als besonders förderbedürftig und -würdig gelten. Schlagworte wie Abwanderung, Überalterung der Gesellschaft, Fachkräftemangel usw. zeichnen ein düsteres Bild des Landes am Rand oder fernab der Metropol(region)en. Umso lauter ist der Ruf nach tragfähigen Lösungen zum Erhalt wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stabilität. Dabei lässt sich ein wiederkehrendes Muster beobachten: Die Öffnung und Erweiterung wirtschaftlicher und politischer Systemgrenzen (Europäisierung, Globalisierung) geht scheinbar zwingend einher mit Stärkungsversuchen nach innen und damit der Konzentration auf das kleinteilig Eigene, Regionale. Je weitreichender, raumgreifender und damit auch unbeeinflussbarer Entwicklungen und Wandlungsprozesse sind, umso mehr konzentriert man sich auf kleinschrittige Veränderungen und Initiativen vor Ort.

Zwei Beispiele:
Als im Zuge des starken Wirtschaftswachstums der Nachkriegsjahre vor allem Städte und Industriezentren boomten, wurde 1961 der Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ aus der Taufe gehoben. Gezielte Verschönerungsmaßnahmen in den Dörfern sollten der zunehmenden Abwanderung in den urbanen Raum entgegenwirken. Mitte der 1990er Jahre wurden die Bewertungskriterien überarbeitet. Seit 1997 würdigt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter dem neuen Wettbewerbstitel „Unser Dorf hat Zukunft“ nicht nur Grünanlagen und Blumenschmuck, sondern alle Maßnahmen, die zur Aufwertung dörflicher Lebensqualität dienen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Aktivitäten der Dorfgemeinschaft sowie der nachhaltigen Gestaltung der Infrastruktur.
Unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat das LEADER-Programm (Liaison entre actions de developpement de l’économie rurale = Verbindungen zwischen Aktivitäten zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft) 1991 als Maßnahme zur Förderung modellhafter Innovationen im ländlichen Raum seine Arbeit aufgenommen und seither in vielen ländlichen Regionen seine Spuren hinterlassen. Vor Ort werden unter Mitwirkung lokaler Arbeitsgruppen Aktionen erdacht, die die eigenständige Entwicklung ländlicher Regionen unterstützen.

In diese Reihe fügen sich auch die aktuellen Zukunftsdiskurse: Veranstaltungen, Projekte und Publikationen zur Zukunft des ländlichen Raumes, die darum bemüht sind, beispielhafte Ideen und Lösungsansätze für den konstruktiven Umgang mit großen gesellschaftlichen Themen wie dem demografischen Wandel, der globalen Klimakriese etc. zu entwickeln. Man darf gespannt sein!

CLL