„Machst Du jetzt in Senioren statt in Schweine?“ muss sich Bernd Reinke, gelernter Landwirt und studierter Politikwissenschaftler von Zeit zu Zeit von seinen Berufskollegen fragen lassen. Aber die Skeptiker werden weniger, weil Reinkes Initiative, Senioren-WGs auf dem Dorf zu bauen, Erfolg hat. Die Wohngemeinschaften in Drentwede (Kreis Diepholz) und Ellenstedt (Kreis Vechta) sind begehrt und ausgebucht.
Aber von vorne: Bereits 2013 hatte Bernd Reinke beschlossen, eine WG für ältere Menschen zu bauen. Ausschlaggebend war die persönliche Begegnung mit einer chronisch erkrankten Dame, die sich fürchtete, in einer großen anonymen Pflegeeinrichtung ihre Selbständigkeit und individuelle Lebensgestaltung aufgeben zu müssen – eine Sorge, die angesichts sinkender Renten, steigender Pflegekosten, Vereinsamung und Pflegefachkräftemangel viele ältere Menschen teilen. Der demografische Wandel verlangt auch in ländlichen Regionen nach Lösungen, die älteren Menschen ein würdevolles, selbstbestimmtes, bezahlbares und nachhaltiges Wohnen in gewohnter Umgebung ermöglich. In Nachbarländern wie den Niederlanden werden Seniorenwohngemeinschaften schon seit Längerem erfolgreich betrieben. Hier holte sich Bernd Reinke Inspiration und Erfahrungsbericht, ebenso wie fachliche Beratung durch Gerontologinnen der Universität Vechta.
Seit 2017 wohnen nun bis zu 20 Personen in den zwei Wohneinheiten der WG in Ellenstedt. Die Bewohner*innen sprechen lieber von einer „Land-WG“ – „Senioren, das klingt so alt. Und so alt fühlen wir uns noch gar nicht.“
Tatsächlich geht es in Ellenstedt sehr ländlich, ja dörflich zu. Die Mitarbeiterinnen des rund um die Uhr betreuenden Pflegedienstes, den die Bewohner*innen gemeinsam ausgesucht haben, kommen fast alle aus dem Ort. Im Garten der WG gibt es nicht nur Blumen- und Kräuterbeete, sondern auch eine Ziegenweide. Und beim alljährlichen Weihnachtsbaumaufstellen trifft man sich inzwischen selbstverständlich in der Ellenstedter Straße. Dann gibt es von den Bewohner*innen gebackene Plätzchen, Punsch und Plaudereien. Die Vorteile dieser Wohnform liegen auf der Hand: Durch die geteilten Kosten für Unterbringung und Pflege, ist die WG für viele erschwinglicher als die stationäre Pflege in traditionellen Einrichtungen. Hinzu kommt die überschaubare Größe, das familiäre Miteinander und dabei dennoch genügend Raum für individuelle Tagesabläufe und Vorlieben. Anfragen nach freien Plätzen erreichen Bernd Reinke auch von weit her. Aber am schönsten ist es auch für ihn als Betreiber, wenn die Bewohner*innen aus der Gegend kommen – und so ihren Lebensabend „Zuhause“ verbringen können.
CLL